Hört Dein Handy heimlich zu?

Ihr kennt das: Ihr sitzt mit Freunden beim Abendessen und auf einmal fällt euch ein Thema ein, über das ihr sofort ausgiebig redet. Zum Beispiel über eine Reise nach Thailand. Oder spontan einen neuen Job anzufangen – oder darüber, ein bestimmtes Auto zu kaufen. Später scrollt ihr durch Instagram oder Facebook – und plötzlich wird euch genau zu diesem Thema eine Werbung angezeigt. Ihr fragt euch: Hört mir mein Handy zu? Sicher ist: Gegoogelt hattet ihr das Thema vorher nicht.   

Das Internet ist voll mit Geschichten von Menschen, die schwören, dass ihr Handy sie abhört. App-Hersteller und vor allem die großen sozialen Netzwerke bestreiten aber, dass sie uns zu Werbezwecken ausspionieren. Facebook-Gründer Mark Zuckerberg hat diesem Vorwurf 2018 sogar vor dem US-Kongress mit Nachdruck widersprochen. Aber was stimmt denn nun?   

Das haben wir uns auch gefragt und ein paar Tests durchgeführt, die zeigen sollten, ob unsere Handys uns vielleicht doch heimlich belauschen. Die Ergebnisse waren ziemlich überraschend: Für unsere Tests haben wir zwei Apps programmiert – eine für das Google Smartphone-Betriebssystem Android und eine für das Apple Betriebssystem iOS.   

Mit diesen Apps wollten wir herausfinden: Was kann eine App auf dem Handy mit dem Mikrofon machen, ohne dass die Betriebssysteme sie davon abhalten. 

Unsere Test-App konnte über eine Stunde lang unbemerkt zuhören  

Wenn du ein Android-Smartphone hast (bis einschließlich Android-Version 11), können Apps einfach mithören, ohne dass du das mitbekommen kannst.   

Das geht zum Beispiel, wenn du eine App offen hast, vielleicht durch den Feed scrollst und dir Bilder ansiehst. Dann kann die App dir die ganze Zeit über zuhören – und du kannst das an nichts erkennen. Alles sieht die ganze Zeit normal aus, obwohl die App dich permanent belauscht.  Oder wenn das Handy mit offener App auf dem Tisch liegt.   

Eine Android-App kann dir aber auch sehr lange zuhören, wenn du den Bildschirm ausmachst – die App selbst aber eigentlich noch geöffnet ist. Oder, wenn du die App in den Hintergrund schiebst und wenige Sekunden später den Bildschirm ausmachst. Auch dann kann dich die App belauschen.   

Mit manchen Handys ist lauschen einfacher als mit anderen  

Bei iOS konnte unsere Test-App nicht so gut heimlich zuhören. Dort wird immer angezeigt, wenn eine App das Mikro benutzt. Wenn das Mikro an ist, erscheint oben in der Statusleiste auf dem Bildschirm entweder ein kleiner Punkt oder ein größeres, rotes Mikrofon-Zeichen.    

Foto: Charles Deluvio auf unsplash.com
Mit manchen Handys ist lauschen einfacher als mit anderen  

Wie kannst du dich schützen?  

Eigentlich ganz gut, denn unsere kleine Lauschattacke funktioniert nur, wenn man der App bei Android vorher den Mikrofon-Zugriff erlaubt hat.

  • Und zwar mit der Option „Zugriff nur während Nutzung zugelassen“ (bei manchen Android-Handys gibt es auch noch die Option „Zugriff immer zugelassen“, mit der kann man auch abgehört werden).   
  • Welche deiner Apps auf das Mikrofon zugreifen dürfen, kannst du ganz einfach in den Einstellungen unter Datenschutz -> Berechtigungsverwaltung -> Mikrofon checken. Dort kannst du für alle Apps “Jedes Mal fragen” auswählen, dann können sie dich nicht mehr heimlich über das Mikrofon belauschen. 
  • Außerdem ist es wichtig, Apps immer richtig zu schließen. Bei den meisten Android-Handys existiert dafür ein Button direkt neben dem Homebutton: Draufklicken und die Apps nach oben wischen, dann sind sie geschlossen und können nicht mehr heimlich spionieren.   
  • Und Updates helfen: Bei seiner neuesten Version hat Android nachgezogen. Auf allen Handys, die schon Android 12 haben, erscheint kurz ein größeres Mikrofon-Zeichen und dann durchgehend ein kleiner, grüner Punkt, sobald eine App das Mikrofon einschaltet.   

Wissen wir jetzt mit Sicherheit, dass Apps uns für Werbung ausspionieren?   

Nein. Unser Test zeigt nur, was technisch möglich ist. Wir konnten aber keiner App nachweisen, dass sie das Mikrofon wirklich anschaltet. Alle von uns dazu befragten Unternehmen wie Google, Apple und Meta (Facebook, Instagram) haben auch uns gegenüber abgestritten, uns zu belauschen.   

Das könnte sogar stimmen, denn für die verdächtigen Werbeanzeigen gibt es auch andere Erklärungen: 

  • Eine davon heißt “Frequenz-Illusion”. So nennt man das, wenn man etwas Neues erfährt und genau das auf einmal überall sieht: Wer selbst schwanger ist, sieht auf einmal überall Schwangere… 
  • Eine andere Theorie sagt, dass Social Media-Apps immer genau wissen, wo du bist (z.B. über GPS-Tracking oder das W-Lan, in dem dein Handy eingeloggt ist). Wenn du einen Freund triffst und dein Handy dieses Treffen mitbekommt, könnte es sein, dass du danach Werbung siehst für Dinge, die der Freund gegoogelt hat. 

Wäre mein Datenvolumen nicht ziemlich schnell alle, wenn Apps mir ständig zuhören?  

Das stimmt nur, wenn sie es nicht besonders smart anstellen. Würde eine App die ganze Zeit Audio-Daten verschicken, würde das sehr schnell auffallen, zumindest bei begrenztem Datenvolumen.   

Durch KI ist das aber gar nicht mehr nötig. Denn KI-Algorithmen, die Sprache automatisch in Text übersetzen, lassen sich (theoretisch) mittlerweile gut im Code von Apps verstecken. Diese KI-Algorithmen können direkt auf dem Handy die abgehörten Sätze in Text oder in verschlüsselte Zahlen übersetzen. Ob das wirklich passiert, wissen wir aber nicht. Denn Apps sind mittlerweile sehr gut darin, technisch zu verstecken, was sie tun – auch wir konnten niemanden beim heimlichen Lauschen ertappen.